Der Heilige Gral - einige Kandidaten
In Podcast-Episode 55 kamen Katharina und Marvin auf den Mythos des Heiligen Grals zu sprechen. Einige der verschiedenen Kandidaten, von denen behauptet wird, sie könnten der Heilige Gral sein, möchten wir euch an dieser Stelle nochmal etwas genauer vorstellen – immer vorausgesetzt bei dem Gral handelt es sich überhaupt um einen Kelch.
Ihr habt die Podcast-Folge noch nicht gehört? Kein Problem! Hier könnt ihr sie nachhören: Was ist der Heilige Gral? Eine historische Spurensuche
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Kelch von Antiochia
Das Silbergefäß wurde Anfang des 20. Jahrhunderts im nördlichen Syrien gefunden – allerdings muss festgehalten werden, dass es keine belegbare Fundgeschichte gibt, was die Bedeutung guter archäologischer Dokumentation abermals unterstreicht.
Der Kelch hat eine Höhe von 19,5cm und besteht aus insgesamt drei Teilen: dem Fuß, dem dekorativen äußeren Kelch und dem einfachen inneren Kelch. Der äußere Teil zeigt unter anderem Jesus mit seinen Jüngern, während der innere, einfacher gestaltete Kelch nach der Entdeckung für den Heiligen Gral gehalten wurde. Inzwischen wird der Schatzfund, zu dem auch der Kelch gehört, aber ins 6. oder 7. Jahrhundert datiert – entsprechend kann es sich nicht um jenes Gefäß handeln, das Jesus beim letzten Mal womöglich verwendet hat. Nichtsdestotrotz ist der Kelch von Antiochia ein beeindruckendes Zeugnis frühchristlicher Handwerkskunst!
Neuere Studien haben die Thesen aufgestellt, der äußere Kelch sei möglicherweise eine Art Lampenschirm, und, dass die zehn Figuren neben Jesus verschiedene antike Philosophen seien, die Jesus Ankunft auf Erden prophezeit hätten.
Der Nanteos-Cup
Wie schon beim Kelch von Antiochia ist die Fundgeschichte dieses Holzgefäßes ungewiss – eine scheinbar gute Grundlage für potentielle Gral-Kandidaten! Anzunehmen ist, dass der Cup im 19. Jahrhundert auf dem Gelände der zu dem Zeitpunkt seit drei Jahrhunderten verlassen Abtei Strata Florida in Wales gefunden wurde. Von dort gelangte er in den Besitz der Familie Powell, die das Nanteos-Anwesen besaß, woher der Kelch auch seinen Namen hat.
Interessanterweise wiesen bereits mehrere Archäologen und Historiker im 19. Jahrhundert das Stück als ein Produkt des Spätmittelalters aus. Doch die moderne Wiederentdeckung der arturischen Sagen (und damit des Heiligen Grals), deren Faszination auch viele jener Personen in ihren Bann zog, die im späten 19. Jahrhundert mit dem Nanteos Cup zu tun hatten, führte zu einer zunehmenden Legendenbildung um eben diesen. So schrieb die Western Mail 1895:
„The cup is of wood, traditionally supposed to have been formed from a piece of the true Cross. Who made it is not known, or how it came into the possession of the ancient family of Nanteos – the Powells. Its healing virtues in certain cases of female disorder were in great repute, and when all hopes from doctors had been given up the sufferer had only to take all nourishment, wet and dry, out of it for a few days to ensure a complete cure.“
Im Jahr 1901 führte schließlich ein lokaler Historiker eine amerikanische Gruppe für Erwachsenenbildung – die Chautauqua – durch die Ruinen der Abtei von Strata Florida
und das Anwesen Nanteos, um ihnen den heilenden Holzkelch zu zeigen. Eine der Teilnehmerinnen, Ethelwyn Mary Amery, erklärte den Nanteos Cup in der Folge zum Heiligen Gral und veröffentlichte 1905 die Schrift „Sought and Found: A story of the Holy Grail“ – der Mythos war geboren.
Die Historikerin Juliette Wood unterstrich mit einer Studie 2014, dass der Nanteos Cup vor 1905 nicht mit dem Gral in Verbindung gebracht worden war, insofern handelt es sich um eine vergleichsweise moderne Legende.
Achatschale der Habsburger
In unserer Podcast-Episode haben wir ja bereits festgestellt, dass Achat scheinbar ein beliebtes Material für potentielle Grals-Kelche ist – der Heilige Kelch in Valencia und auch jener der Urracha wurden ebenfalls aus dem Mineral gefertigt.
Erstmal dokumentiert ist das in Wien aufbewahrte Gefäß im späten 16. Jahrhundert, als nach dem Tod Kaiser Ferdinands I. festgeschrieben wurde, dass zwei Objekte aus dem Besitz der Habsburger unveräußerlich seien: Unabhängig davon, welcher Habsburger die Achatschale und das Horn eines Einhorns – eigentlich ein Narwalzahn – erben würde, es durfte auf keinen Fall verkauft werden. Wenngleich erst seit dem Spätmittelalter nachgewiesen, wussten Schreiber des 18. Jahrhunderts zu berichten, dass die Schale 1204 nach der Eroberung von Konstantinopel nach Mitteleuropa gekommen sei. Hier gelangte sie in den Besitz des Burgunder Fürsten Karl des Kühnen, und dann schließlich über eine Erbschaft zu den Habsburgern.
Zwei Besonderheiten zeichnen das Gefäß aus: Zum einen ist es allein aufgrund seines Durchmessers von ca. 58cm ein kleines Wunder. Achat ist nur äußerst schwer zu bearbeiten und es existieren entsprechend keine vergleichbaren Kunstobjekte. Zum anderen glaubte man lange Zeit, eine mit Christus in Verbindung stehende Inschrift in der Schale ausmachen zu können – die jedoch immer wieder verschwand. Erst 2009 gelang es einem Filmteam des ORF die vermeintliche Inschrift mit modernen Medien zu dokumentieren und entsprechend eine überregionale Untersuchung einzuleiten. Die Geologen kamen zu dem Ergebnis, dass es sich eher um die natürliche Maserung des Steins handelt. Heute wird die Schale ins 4. Jahrhundert datiert und ist entsprechend sowieso zu jung, um der eine Kelch zu sein